Neutralität: Die Hoffnung, dass alles gut wird
Die Mehrheit der Bevölkerung sieht die Verteidigungsfähigkeit Österreichs als unzureichend an. Die Zustimmung zur Neutralität ist dennoch ungebrochen.
Drei Viertel der Bevölkerung sind der Ansicht, dass Österreich nicht ausreichend gegen militärische Angriffe aus dem Ausland gerüstet ist (42 % „nein, auf keinen Fall“, 33 % „eher nicht“). 16 % sind gegenteiliger Ansicht und 9 % äußern sich nicht dazu. Das zeigt eine Umfrage des Österreichischen Gallup-Instituts*. Die Überzeugung, dass Österreich nicht in der Lage ist, sich zu verteidigen, zieht sich mehrheitlich durch alle Bevölkerungsgruppen.
Wunsch nach Beibehaltung der Neutralität
Die Auffassung, dass es für die Sicherheit Österreichs besser ist, die Neutralität zu bewahren als der NATO beizutreten, ist trotzdem weit verbreitet (74 %). Für einen NATO-Beitritt sind nur 14 % der Befragten, der Rest ist unentschieden. Die Befürwortung der Neutralität ist seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine bis auf kleinere Schwankungen stabil geblieben.
Nach Parteiaffinität betrachtet ist die Zustimmung zur Beibehaltung der Neutralität unter der FPÖ-Anhängerschaft mit 86 % am höchsten. Junge Menschen bis 30 Jahre tendieren eher zu einer NATO-Mitgliedschaft (25 %) als über 30-jährige (11 %).
Kein Konsens besteht in der Bevölkerung darüber, ob Österreich seine Verteidigungsausgaben erhöhen sollte: Während 42 % dafür sind, äußern sich 39 % ablehnend. Jeder Fünfte ist bei dieser Frage unentschieden. Im Frühling 2022 waren 49 % für und 35 % gegen eine Aufstockung des Militärbudgets. Die Anhänger:innen der FPÖ und der NEOS sprechen sich häufiger gegen Aufrüstung aus als Unterstützer:innen der ÖVP, der SPÖ und der Grünen.
„Die leicht rückläufige Befürwortung der Budgetaufstockung hängt vermutlich mit der Berichterstattung über die Neuanschaffungen im Bundesheer zusammen. Im Sommer letzten Jahres war noch eine klare relative Mehrheit für eine Erhöhung der Mittel“, meint die Leiterin des Österreichischen Gallup-Instituts, Andrea Fronaschütz, dazu.
Unterstützung für Wirtschaftssanktionen gegen kriegführende Staaten gesunken
Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hat sich in der Bevölkerung der Wunsch verstärkt, sich aus internationalen Konflikten herauszuhalten.
Fragt man, welche internationalen Aktivitäten mit der österreichischen Neutralitätspolitik vereinbar sind, steht die Beteiligung an unbewaffneten Friedensmissionen mit 75 % („ja, auf jeden Fall“ und „eher ja“) an erster Stelle – genauso wie vor fast zwei Jahren. Sich in internationalen Konflikten gegen den Aggressor zu stellen, bedeutet für einen Großteil ebenfalls keine Verletzung der Neutralität dar (70 %), wenngleich dieser Anteil leicht gesunken ist (76 %).
Während aktuell 64 % meinen, dass die Teilnahme an der internationalen Terrorismusbekämpfung im Einklang mit der Neutralität steht, waren es im Frühling 2022 69 %. Die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist nach wie vor für fast zwei Drittel der Bevölkerung (63 %) neutralitätskonform.
Die Unterstützung für bewaffnete UN-Friedensmissionen bleibt vergleichsweise gering (48 %). Mit 46 % ist die Bevölkerung noch weniger als 2022 (54 %) damit einverstanden, dass sich Österreich als neutraler Staat an Wirtschaftssanktionen gegen kriegführende Staaten beteiligt.
Das Thema Waffenlieferungen in Kriegsgebiete ist wie schon zu Beginn des Ukraine-Krieges für breite Bevölkerungsschichten im Rahmen der Neutralität ein Tabu, 80 % stimmen dagegen.
„Die Neutralität wird als eine Art Schutzschild gesehen. Man realisiert sehr wohl, dass sich Österreich im Ernstfall alleine nicht verteidigen kann. Allerdings hofft man, dass es nicht zum Ernstfall kommen wird, solange Österreich neutral ist. Eine klare Positionierung in internationalen Konflikten oder die Teilnahme an Wirtschaftssanktionen werden als potenzielle Gefährdung der Neutralität und daher kritisch gesehen", fasst Fronaschütz die Ergebnisse der Umfrage zusammen.
* Gallup-Stimmungsbarometer: Eigenstudie des Österreichischen Gallup-Instituts, 1.000 Personen repräsentativ für die österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren, Methode: Computer Assisted Web Interviewing (CAWI) im Gallup-Onlinepanel, durchgeführt zwischen 20. und 26. Februar 2024