Kompromissbereitschaft stärkt Vertrauen in Parteien
Der Wunsch nach politischem Kompromiss ist in Österreich groß. Nach dem Scheitern der ersten Verhandlungsrunde haben die jetzigen Regierungsparteien ÖVP, SPÖ und NEOS an Vertrauen eingebüßt, dieses jedoch mit der Wiederaufnahme der Gespräche im Februar zurückgewonnen.
Fast drei Viertel (73 %) der österreichischen Bevölkerung halten Kompromisse in der Politik für „ein Zeichen von Stärke“. Nur 15 % der Befragten sehen Kompromissbereitschaft als Schwäche, der Rest hat keine Meinung dazu. FPÖ-Sympathisant:innen empfinden das Eingehen auf andere politische Positionen mit 27 % überdurchschnittlich häufig als Schwäche. Das zeigte eine Umfrage des Österreichischen Gallup-Instituts, die unmittelbar vor der Angelobung der neuen Regierung durchgeführt wurde*.
Schaden repariert?
Nach dem gescheiterten ersten Koalitionsversuch hat das Vertrauen in die ÖVP, SPÖ und NEOS einen Tiefpunkt erreicht. Doch die zweite Verhandlungsrunde konnte den Schaden weitgehend beheben.
So trauten Anfang Februar nur noch 27 % der Bevölkerung der ÖVP zu, positive Veränderungen in Österreich herbeizuführen. Mit der Aufnahme neuer Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS stieg dieser Wert auf 35 % und erreichte damit wieder das Niveau von vergangenem Dezember.
Auch die SPÖ konnte sich erholen: Anfang Februar betrug das Vertrauen in ihre Handlungsfähigkeit 29 %, zum Zeitpunkt der Angelobung der neuen Regierung lag es, ähnlich dem Vorjahr, bei 36 %. Der Rückgang bei den NEOS auf 35 % war moderater; inzwischen hat die Partei mit 38 % das Niveau von Dezember 2024 wieder erreicht.
Das Vertrauen in die Parteivorsitzenden hat sich seit Februar ebenfalls spürbar verbessert. Der Wert für Christian Stocker stieg von 26 % auf 33 % („vertraue sehr“ oder „vertraue eher“), jener von Andreas Babler von 32 % auf 40 %. Das Vertrauen in Beate Meinl-Reisinger blieb nach dem Scheitern der ersten Verhandlungsrunde weitgehend stabil und liegt derzeit bei 39 %.
„Der Wunsch der Bevölkerung nach einem Konsens und einer stabilen Regierung ist groß. Angesichts der ernsten politischen Lage, sowohl national als auch international, gibt es keinen Raum für Uneinigkeit und Zerwürfnisse. Die Wiederaufnahme der Verhandlungen hat ein deutliches Signal der Kompromissbereitschaft gesendet und das Vertrauen in die Regierungsparteien gestärkt“, kommentiert Andrea Fronaschütz, die Leiterin des Gallup-Instituts, die Ergebnisse der Umfrage.
Regierungsparteien ergänzen sich gegenseitig
Die aktuelle Koalition scheint die unterschiedlichen Bedürfnisse der Bevölkerung besser zu erfüllen als andere mögliche Konstellationen. Der ÖVP (45 %) und der SPÖ (44 %) wird am meisten zugetraut, das Land erfolgreich zu regieren. Die NEOS, knapp hinter der FPÖ, zeigen aus Sicht der Befragten den größten Mut zu unpopulären Maßnahmen (44 %). Der SPÖ wird am häufigsten zugeschrieben, sich um „Menschen wie mich“ zu kümmern (43 %). Zudem repräsentiert sie mit 46 % am stärksten eine Gesellschaft, in der man gerne leben möchte.
Andrea Fronaschütz: „In einer schwarz-blauen Koalition würde aus Sicht der Bevölkerung der soziale Aspekt fehlen, den die SPÖ verkörpert. Den Reformwillen bringen die NEOS in die Regierung ein, während die ÖVP weiterhin eine wichtige Rolle als stabile und erfahrene Regierungskraft spielt.“